Der Vorrang des Kulturellen zeigt sich auch in Röpkes Blick auf den Markt. Was ihm an der Marktwirtschaft am meisten gefiel, war nicht ihre materielle Wirkung, sondern die damit eng verbundene bürgerliche Ethik, wie Alan Kahan in seinem wunderbaren Kapitel über Jacob Burckhardt und Röpke zeigt. Es ist die Ethik der Eigenverantwortung, der Sparsamkeit, der Klugheit und der Selbstdisziplin, getragen vom Kapitalismus der Kleinunternehmerfamilie. So sah Röpke seine Schweizer Wahlheimat, er lebte und lehrte von 1937 bis zu seinem Tod im Jahre 1966 in Genf.
Das ist aber etwas anderes als der Kapitalismus des 20. Jahrhunderts mit seinen großen hierarchischen Unternehmen, dem technischen Fortschritt und der Konsumkultur. Diese moderne Form lässt das Kontinuum zwischen privaten und öffentlichen Tugenden, das Röpke suchte, nicht zu. Stattdessen, wie Friedrich August von Hayek später betonte, lebt der moderne Mensch in zwei verschiedenen Welten zugleich: in der kleinen Welt der Familie und in der offenen Gesellschaft des Marktes und der Politik.

hdl.handle.net/1765/109674
Frankfurter Allgemeiner Zeitung
Erasmus School of History, Culture and Communication (ESHCC)

Dekker, E. (2018, July 24). Tugenden der Freiheit : Wilhelm Röpke als kultureller Ökonom. Frankfurter Allgemeiner Zeitung. Retrieved from http://hdl.handle.net/1765/109674